Mit Blick auf den unerwartet starken Anstieg bei den freien Mittelzuflüssen könnte man zu dem Urteil kommen, dass Finanzvorstand Nicolas Peter in der Corona-Pandemie doch einen guten Job gemacht?
Nein.
Warum?
Das ist keine Leistung des Vorstands. Ähnlich wie andere Autobauer profitieren auch wir von einem deutlich veränderten Mobilitätsverhalten. Die Menschen fliegen deutlich weniger und sie fahren weniger Zug, U-Bahn oder Bus. Dafür gewinnt das Auto rapide an Bedeutung. Viele Menschen sehen das eigene Auto inzwischen als persönlichen Schutzraum. Und die Menschen wollen auch nicht mehr sharen, weil man nicht mehr weiß, wer vorher im Auto saß. Diesen Trend Richtung eigenes Auto hat Corona gebracht, nicht der Vorstand.
Nun war die Lage bei BMW im Sommer noch ziemlich angespannt. Daher hatte der Konzern im Rahmen eines Maßnahmenpakets einen Stellenabbau von insgesamt 6000 Stellen angekündigt, allerdings unter Verzicht von betriebsbedingten Kündigungen. Bleibt es dabei?
BMW bietet den Mitarbeitern Aufhebungsverträge auf freiwilliger Basis an. Von den rund 80.000 Kolleginnen und Kollegen in Deutschland haben bislang über 1000 dieses Angebot angenommen. Wir begleiten das vonseiten des Betriebsrats in einem Beratungsprogramm, dazu kommen Renten- und Steuerberater, damit jeder weiß, was von der Abfindung am Ende netto rauskommt. Das läuft alles hervorragend. Bisher gibt es auch keine mir bekannte Beschwerde bei der Rechtsberatungsstelle der IG Metall. Wir sind da sehr zufrieden.
Zu den zahllosen Folgen der Corona-Pandemie gehört auch die Verlagerung vieler Arbeitsplätze ins Homeoffice. Bei Siemens haben künftig rund 140.000 Mitarbeiter in Anspruch auf zwei bis drei Tage Homeoffice pro Woche, wenn der Vorgesetzte zustimmt. Wann kommt eine vergleichbare Regelung auch für die BMW-Beschäftigten?
Wir haben bereits 2013 eine Betriebsvereinbarung zum Thema Mobilarbeit geschlossen. Wenn jemand tagsüber seine demente Mutter im Altersheim betreut und währenddessen – etwa, weil die Mutter gerade schläft – seine Mails bearbeitet, ist das bei BMW Arbeitszeit. Wenn jemand im Zug arbeitet, ist das bei BMW Arbeitszeit. Das Thema Mobilarbeit bei BMW ist also eine Stufe weiter als Homeoffice. Aber klar ist auch: Wir sind keine Bausparkasse oder eine Versicherung, sondern ein Industrie-Unternehmen. Nehmen Sie unser Entwicklungszentrum FIZ: Wir haben dort zum Beispiel ein Akustik-Zentrum oder den Windkanal. Dort messen wir, wie leise ein Auto ist oder optimieren den Luftwiderstand. Das alles geht zu Hause nicht. Auch die Mitarbeiter aus der Produktion im Werk müssen vor Ort sein. Bei Software-Ingenieuren oder den Kollegen aus der Rechnungsprüfung liegt der Fall wieder anders. Eine allgemeingültige Regelung macht da keinen Sinn. Aber dort, wo es geht, halte ich eine vernünftige Mischung – also zum Beispiel drei Tage im Büro, zwei Tage zu Hause – für sehr wünschenswert.
Und diese bestehende Betriebsvereinbarung zur Mobilarbeit bei BMW wird dann die Grundlage einer neuen Betriebsvereinbarung?
Wir streben hier keine neue Betriebsvereinbarung an. Was wir bei BMW brauchen, ist ein entsprechender Kulturwandel und der muss im Kopf stattfinden und nicht auf dem Papier. Das ist eine Frage des Führungsverhaltens und der richtigen Kriterien. Bisher gibt es etwa bei der Frage des Krankenstands einen klaren Konsens: Ein hoher Krankenstand ist ein Signal für schlechte Führung. Wir müssen dorthin kommen, dass eine geringe Mobilarbeitsquote ein Signal dafür ist, dass die Führungskraft die Möglichkeiten der Digitalisierung noch nicht verstanden hat. Gute Führungskräfte haben eine hohe Mobilarbeitsquote, schlechte eine geringe. Was glauben Sie, wie schnell sich das dann ändert? Dann brauchen wir für diesen Kulturwandel keine Regeln, die der Betriebsrat aushandelt.
Wie wollen Sie zu diesem Wandel beitragen?
Ich mache monatlich einen Video-Podcast von jeweils zehn Minuten, weil wir große Betriebsversammlungen wegen Corona derzeit nicht durchführen können. In diesen Podcasts nenne ich das Thema Führungskultur und Mobilarbeit klar und deutlich und das werde ich auch wiederholen und auf der nächsten Betriebsversammlung sagen.
Und das hilft?
Das dürfen Sie mir glauben. Wenn wir sagen: Messt Eure Führungskräfte daran, wie sie mit diesem Thema umgehen, zeigt das intern Wirkung.
Aber mehr Homeoffice zieht ja viele andere Dinge nach sich. Das gilt auch für die Ausstattung der Mitarbeiter. Wie stehen Sie zu Überlegungen, neben dem Notebook auch Fragen wie die mögliche Anschaffung eines Schreibtischs und Bürostuhls zu berücksichtigen?
Für uns ist es wichtiger, dass wir in diesem Jahr wirklich alle unsere Azubis mit einem Notebook ausgerüstet haben. Wir werden das Unternehmen jetzt nicht auch noch mit der Forderung konfrontieren, Stühle oder Schreibtische zu kaufen. Der BMW-Betriebsrat ist zufrieden, wenn allen Mitarbeitern das technische Equipment zur Verfügung gestellt wird, das sie in der Regel auch privat nutzen dürfen.
Homeoffice hat ja viele weitere Effekte, beispielsweise brauchen die Unternehmen viel weniger Büroflächen.
Wenn Mitarbeiter an zwei von fünf Tagen pro Woche in ganztägiger Mobilarbeit sind, haben wir erhebliche Auswirkungen auf den Nahverkehr, 40 Prozent weniger CO2-Belastung durch Pendelverkehr und natürlich auch Auswirkungen auf die Bürofläche im Unternehmen oder die Parkhausbelegung.
Inzwischen ist das Thema Homeoffice ja auch nach Berlin geschwappt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will ein Recht auf Homeoffice verankern. Danach sollen Vollzeitbeschäftigte pro Jahr 24 Tage von zu Hause arbeiten können. Was halten Sie davon?
Es gibt viele Unternehmen, wo es kaum oder überhaupt kein Homeoffice gibt. Da würden zwei Tage im Monat sicher helfen. Wir bei BMW wollen Mobilarbeit an zwei Tagen pro Woche und sind da einfach schon weiter als der Vorschlag von Herrn Heil.
Sie sind seit 1987 Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei BMW und damit der dienstälteste Betriebsratschef in der deutschen Automobil-Industrie. In anderen Konzernen gab es in der Vergangenheit immer wieder teils harte Auseinandersetzungen bis hin zu Skandalen. Bei BMW blieb es zumindest nach außen immer sehr ruhig. Wie haben Sie das geschafft?
Ich versuche Probleme mit den zuständigen Bereichsleitern und Vorständen zu lösen und nicht über die Öffentlichkeit. Das ist der erfolgreichere Weg. Und das ist übrigens auch bei Tarifverhandlungen so, wenn man in den letzten Nächten zusammensitzt und Lösungen am kleinen runden Tisch sucht.
Vielen Dank für das Gespräch.
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