1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kükentöten soll 2022 enden

KommentareDrucken

Küken
Das millionenfache Töten männlicher Küken in der deutschen Legehennenhaltung soll ab Anfang 2022 verboten sein. Foto: Bernd Wüstneck/zb/dpa © Bernd Wüstneck

Weil sie sich nicht vermarkten lassen, werden massenhaft Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet. Tierschützer machen seit Jahren Front gegen diese Praxis. Ein Ausstieg kommt jetzt konkret auf den Weg.

Berlin (dpa) - Das millionenfache Töten männlicher Küken soll ab Anfang 2022 in Deutschland verboten sein. Das sieht ein Gesetzentwurf von Agrarministerin Julia Klöckner vor, den das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat.

Es sei ein «bedeutender Fortschritt für mehr Tierschutz», wenn diese unethische Praxis dann der Vergangenheit angehöre, sagte die CDU-Politikerin.

Künftig sollen Verfahren auf breiter Front einsetzbar sein, um das Geschlecht im Ei zu erkennen und männliche Küken gar nicht erst schlüpfen zu lassen. Klöckner rief den Handel auf, Eier «ohne Kükentöten» in die Regale zu nehmen. Von Geflügelbranche und Tierschützern kam Kritik.

Um die Tierhaltung geht es auch auf der diesmal ins Internet verlegten Agrarmesse Grüne Woche. Bauernpräsident Joachim Rukwied beklagte zum Auftakt, viele Verbraucher seien nicht bereit, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben, die mehr Ökologie und Tierwohl sicherten. «Wir sind bereit zu Veränderung, zu mehr Nachhaltigkeit, zu mehr Tierwohl», versicherte er.

Das müsse aber Schritt für Schritt kommen. Die Bauern müssten das Tempo mithalten und ihre Existenz sichern können. Als gutes Beispiel nannte er die Brancheninitiative Tierwohl. Dabei werden Zusatzleistungen freiwillig teilnehmender Schweinemäster aus einem Fonds honoriert, in den Supermarkt-Ketten einzahlen.

Das Kükentöten steht seit Jahren in der Kritik. In Deutschland werden jährlich 45 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig getötet, weil die Aufzucht für Brütereien nicht lohnend sind: Sie legen keine Eier und setzen nicht so viel Fleisch an. Teils ist von «Schreddern» die Rede, die Küken werden meist aber mit Gas getötet. Das Bundesverwaltungsgericht entschied 2019, dass Tierschutzbelange schwerer wiegen als wirtschaftliche Interessen und erklärte die Praxis nur noch für eine Übergangszeit für zulässig.

Klöckner sagte, Deutschland sei das erste Land, dass das Kükentöten gesetzlich unterbinde. Methoden zur Geschlechtsbestimmung seien für Betriebe eine konkrete Lösung, um ein Abwandern und damit eine Auslagerung dieser Tierschutzfrage zur verhindern. Der Gesetzentwurf kommt jetzt in den Bundestag.

Konkret soll ab 1. Januar 2022 verboten werden, männliche Küken zu töten, «die aus Zuchtlinien stammen, die auf die Legeleistung ausgerichtet sind». Ausgenommen sind Maßnahmen bei Tierseuchen. In einem zweiten Schritt tabu sein sollen dann ab 1. Januar 2024 auch «Eingriffe an einem Hühnerei» ab dem 7. Tag des Brütens, um das Geschlecht vor dem Schlüpfen zu bestimmen.

Hintergrund ist, dass Embryos vor dem 7. Tag kein Schmerzempfinden haben, wie das Ministerium erläutert. Derzeit seien Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zwischen dem 9. und 14. Tag marktreif. Insgesamt dauert es 21 Tage, bis Küken schlüpfen.

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft unterstützte den Ausstieg aus dem Kükentöten, warnte aber vor Wettbewerbsnachteilen. Innerhalb der EU gebe es weiter Eier aus Brütereien, die Küken töten - und Produkte aus deren Eiern wie Kuchen oder Nudeln stünden legal im deutschen Handel oder würden weiterverarbeitet. Auch FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte den Alleingang der Bundesregierung: «So geht das Kükentöten weiter - nur vor unserer Haustür.» Wie RUHR24* berichtet, hat Öko-Test verschiedene Spätzle getestet und das damit verbundene Leiden der Tiere aufgedeckt.

Der Deutsche Tierschutzbund nannte das Verbot überfällig. Es sei aber zu schwach, dass das Töten schmerzempfindlicher Embryonen noch für mehrere Jahre möglich bleiben solle. Auch Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, Klöckner handele viel zu spät und nicht ausreichend. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag einen Ausstieg bis 2019 angepeilt.

Ernährung und Landwirtschaft, das sind eigentlich Themen, die Jahr für Jahr im Januar Hunderttausende auf das Berliner Messegelände zur Grünen Woche locken. Den Bedarf zum Austausch sollen nun zwei Tage im Internet decken.

Zwar kamen im Corona-Jahr 2020 mehr Kunden in Hofläden, aber auch die Bauern spüren die Krise. «Viele Bereiche hat es massiv getroffen», sagte Verbandspräsident Rukwied. «Die wirtschaftliche Situation in unseren Betrieben ist extrem angespannt.» Schwierigkeiten gab es etwa bei Betrieben, die auf Saisonarbeitskräfte angewiesen seien, bei Schweinemästern und bei Anbietern von Urlaub auf dem Bauernhof.

Immer wieder protestierten Bauern in den vergangenen Monaten gegen die Marktmacht der großen Supermarkt- und Discounter-Ketten. Der Handel und die Initiative «Land schafft Verbindung» nahmen Gespräche über eine Stärkung der heimischen Betriebe auf.

Der Bauernverband will einen «Deutschland-Bonus» für heimische Lebensmittel, der höhere Erzeugungskosten heimischer Landwirte ausgleicht. «Wie das umzusetzen ist, das müssen wir gemeinsam mit dem Handel noch besprechen», sagte Rukwied. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels teilte mit, es müssten dafür alle Organisationen von Verarbeitern und Landwirtschaft zusammenkommen. Separate Gesprächsrunden führten nicht weiter.

Die Ernährungsindustrie in Deutschland konnte 2020 nicht an das Wachstum der Vorjahre anknüpfen. «Der wichtige Motor, den die Branche braucht, der Export, ist eingebrochen», sagte Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Der Branchenumsatz habe schätzungsweise 184,7 Milliarden Euro erreicht, 0,3 Prozent weniger als im Vorjahr. *Merkur.de und RUHR24 sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

© dpa-infocom, dpa:210120-99-98399/3

Auch interessant

Kommentare