1. Startseite
  2. Wirtschaft

Lebensmittel in der Tonne: Warum Deutschland eine Verschwender-Nation ist

KommentareDrucken

Knubbel-Gemüse
Knubbel-Gemüse: Oft landet in der Tonne, was nicht „schön genug“ ist. © dpa / Daniel Karmann

18 Millionen Tonnen genießbares Essen werden in Deutschland jedes Jahr weggeworfen. Es geht auch anders, das zeigen Länder wie Frankreich und Italien.

Fürstenfeldbruck - Statt auf dem Teller landen in Deutschland pro Jahr 18 Millionen Tonnen Essen im Müll. Dass das auch anders geht, zeigt die ARD in ihrem Bericht „Der Wegwerf-Wahnsinn: Warum gute Lebensmittel tonnenweise im Müll landen“. In Ländern wie Frankreich und Italien hat die Politik bereits reagiert. In Deutschland gibt es aktuell nur eine „nationale Strategie“ - diese ändert bisher nichts an der massiven Verschwendung. 

Auf jeden Bürger in Deutschland kommen pro Jahr mehr als 80 Kilogramm genießbare Lebensmittel im Müll. Die Verschwendung passiert auf mehreren Ebenen: Der Kunde interpretiert das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch, die Supermärkte werfen gute Produkte weg und bereits bevor Obst und Gemüse in die Geschäfte kommt, wird Essen entsorgt, das optisch nicht der Norm entspricht. 

Lebensmittelverschwendung: Der Endverbraucher

Das Mindesthaltbarkeitsdatum eines Produktes gibt an, bis zu welchem Datum der Produzent haftbar ist. Das heißt: Bis dahin ist der Joghurt oder die Milch auf jeden Fall gut genießbar. In Deutschland gehen die Lebensmittelproduzenten hierbei auf Nummer sicher und sind in der Angabe der Haltbarkeit so vorsichtig, dass die Lebensmittel oft noch viele Tage länger genießbar seien, heißt es in der ARD-Dokumentation. Weil das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) vom Endverbraucher aber meist als Ablaufdatum verstanden wird, landen viele Produkte in der Tonne - auch wenn sie noch nicht schlecht sind. 

Bei Produkten wie Nudeln oder Reis wird sogar darüber diskutiert, ob ein Mindesthaltbarkeitsdatum überhaupt zu begründen ist. Wie das Mindesthaltbarkeitsdatum genau zu interpretieren ist, erklärt Merkur.de*.

Im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung ist das Mindesthaltbarkeitsdatum für Nudeln, Reis, Kaffee für viele fragwürdig.
Im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung ist das Mindesthaltbarkeitsdatum für Nudeln, Reis, Kaffee für viele fragwürdig. © dpa / Martin Schutt (Archivbild)

Lebensmittelverschwendung: Die Supermärkte werfen gutes Essen in die Tonne

De facto beginnt das Problem aber schon früher. Einige Supermarktketten werfen Essen weg, sobald neue Ware eintrifft oder leichte Makel an den Produkten zu erkennen sind. Das Kamera-Team der ARD-Produktion hat bei den Dreharbeiten in Supermarkt-Mülltonnen viele Lebensmittel gefunden, die noch genießbar gewesen wären* oder höchstens geringe Macken aufwiesen. So etwa eine Verpackung mit sechs Äpfeln, in der lediglich zwei der Äpfel Dellen aufwiesen. 

Einige Supermärkte, vor allem Bio-Märkte, arbeiten mit Organisationen wie den Tafeln oder Foodsharern zusammen. Die Lebensmittel, die in der Tonne landen würden, können dann abends abgeholt und an Bedürftige verteilt oder in sogenannten Fair-Teilern Bürgern kostenfrei angeboten werden. Fair-Teiler-Stationen gibt es in mehreren Städten in Deutschland. Meist haben sie einen Kühlschrank und Regale, in denen aussortiertes aber genießbares Obst und Gemüse aus dem Supermarkt ausgelegt wird. 

Lebensmittel in der Tonne: Nicht schön genug

Oftmals kaufen Supermarktketten von Bauern Obst und Gemüse ohnehin nur, wenn es gewissen Schönheitsidealen entspricht. Eine Karotte oder Gurke, die nicht gerade gewachsen ist, wird nicht abgenommen. Das habe nichts mit EU-Regelungen zu tun, sagt Pascal Nießlbeck von Rübenretter. Mit seinem Startup verkauft er Kisten mit „hässlichem“ Gemüse, das sonst tonnenweise aussortiert und weggeworfen würde.   

Lesen Sie auch: An der Weilheimer Tafel können sich Bedürftige einmal pro Woche Lebensmittel abholen. Eine Passantin hat dabei eine unglaubliche Beobachtung gemacht: Zwei Asylbewerber warfen die vollen Tüten mit Lebensmitteln in den Müll - und gingen einfach weiter.

Essen in der Tonne: Verschwender-Nation Deutschland

Eine Studie der international tätigen Boston Consulting Gruppe bestätigt die Verschwendung: Ein Drittel der Lebensmittel werde entlang der gesamten Wertschöpfungskette weggeworfen, sagt Karin von Funck, von der BCG in der ARD-Reportage „Der Wegwerf-Wahnsinn“. Ein trauriges Ergebnis, wie sie findet: „Wenn man alles essen würde, könnte man 12 Monate essen und dann noch mal 6 Monate weiter essen!“ 

Dass dem nicht so sein muss, ist am Beispiel Frankreichs zu erkennen. Dort ist dem Bericht zufolge das Wegwerfen genießbarer Lebensmittel seit zwei Jahren verboten. Supermärkte werden einerseits mit Strafen von 4000 Euro und mehr belegt, wenn sie gegen die Regelung verstoßen. Andererseits werden die Märkte mit Steuererleichterungen belohnt, wenn sie das Essen spenden, anstatt es vergünstigt im eigenen Markt abzugeben. 

Containern oder Mülltauchen, wobei genießbare aber weggeworfene Lebensmittel aus Supermarkt-Mülltonnen herausgesucht werden, gilt weiterhin als Straftat. Zwei Studentinnen auf Fürstenfeldbruck müssen sich deshalb vor Gericht verantworten, berichtet merkur.de*.

nai

*merkur.de ist Teil des Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks.

Auch interessant

Kommentare