«Gründliche Prüfungen hätten einen solchen Schaden sicherlich früher aufdecken müssen», meinte der Grünen-Finanzpolitiker Danyal Bayaz. Und die Linke fordert die Einführung eines Unternehmensstrafrechts, wie Fraktionsvize Fabio de Masi sagte. Dies würde bedeuten, dass künftig nicht mehr nur Manager wegen Straftaten angeklagt werden könnten, sondern ganze Unternehmen.
Wirecard hatte zuvor mitgeteilt, dass 1,9 Milliarden Euro, die das Unternehmen auf Treuhänderkonten verbucht hatte, «mit überwiegender Wahrscheinlichkeit» nicht existieren. Deswegen prüft der Konzern die nachträgliche Korrektur seiner Bilanzen: «Mögliche Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse vorangegangener Geschäftsjahre können nicht ausgeschlossen werden.»
An der Frankfurter Börse stürzte die Wirecard-Aktie ein weiteres Mal in die Tiefe, die Papiere verloren 44 Prozent und sackten zum Börsenschluss auf 14,44 Euro. Damit war Wirecard nur noch rund 1,7 Milliarden Euro wert - seit dem Höchststand der Aktie im September 2018 summieren sich die Kursverluste der Anleger auf weit über 20 Milliarden Euro. Allein seit dem vergangenen Mittwoch haben die Papiere über zehn Milliarden an Wert verloren.
Über mögliche Bilanzmanipulationen bei Wirecard hatte schon vor über einem Jahr die britische «Financial Times» berichtet. Im Oktober hatte die «FT» dann berichtet, dass ein beträchtlicher Teil der Wirecard-Umsätze mit Drittfirmen in Asien womöglich auf Scheingeschäften beruhe.
Der am Freitag zurückgetretene Wirecard-Chef Markus Braun hatte die Berichterstattung der «FT» über Monate als haltlos zurückgewiesen. Da es schon nach den ersten «FT»-Artikeln zu außergewöhnlichen Kursstürzen der Wirecard-Aktie an der Frankfurter Börse gekommen war, hatten Bafin und Münchner Staatsanwaltschaft Untersuchungen eingeleitet, ob Kursmanipulationen von Börsenspekulanten dahinter steckten.
Die Zukunft des Dax-Konzerns hängt vom Wohlwollen der Banken ab, die nach Angaben von Wirecard wegen des fehlenden testierten Jahresabschlusses für 2019 das Recht haben, zwei Milliarden Euro Kredite zu kündigen. Der seit Freitag amtierende Interims-Chef James Freis kämpft ums Überleben seines Unternehmens: Man stehe weiterhin mit Hilfe der am Freitag angeheuerten Investmentbank Houlihan Lokey in «konstruktiven Gesprächen» mit den kreditgebenden Banken.
Die Hoffnung auf ein Stillhalten der Banken wurde von einem Zeitungsbericht gestützt: Wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» berichtete, wollen die Banken das Unternehmen nicht fallen lassen. «Keiner hat ein Interesse daran, den Kredit zu kündigen», hieß es demnach am Samstag aus einem der beteiligten Geldhäuser. «Alle wollen jetzt das Ding kurzfristig stabilisieren.»